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17. Mai

Los geht's: Das Østensjø Skoles Musikkorps macht sich auf den Weg zur T-Bane-Station

Los geht's: Das Østensjø Skoles Musikkorps macht sich auf den Weg zur T-Bane-Station

Wer es nicht mit eigenen Augen gesehen hat, wird es kaum glauben: Ein Land im Ausnahmezustand, ein Land in rot-weiß-blau. Der 17. Mai ist Norwegens Nationalfeiertag, der im ganzen Land von allen Mitbürgern — so hat es zumindest den Anschein — begangen wird.

Langsam sammeln sich die Schaulustigen in der geschmückten Karl Johans gate

Langsam sammeln sich die Schaulustigen in der geschmückten Karl Johans gate

Nun hat man als Deutscher ein bisschen Vorbehalte, wenn es um das Zurschaustellen von Nationalismus und Patriotismus geht. Insbesondere das landesweite Beflaggen fast aller Gebäude weckt ungute Erinnerungen.

Wenn man aber sieht, auf welche Art und Weise dieser Tag gefeiert wird, und wenn man auch den historischen Ursprung dieses Feiertages und die jüngere Geschichte Norwegens betrachtet, kann man diese Bedenken getrost über Bord werfen.

Die Profis machen den Anfang: H.M. Kongens Gardes Musikkorps

Die Profis machen den Anfang: H.M. Kongens Gardes Musikkorps

Anders als in anderen Staaten, wo nationale Gedenktage oft durch Militärparaden und die Darstellung nationaler Stärke symbolisiert werden, ist Norwegens Nationalfeiertag in erster Linie ein Tag für Kinder: Im ganzen Land stellen Schulen, Kindergärten und andere Einrichtungen speziell auf Kinder ausgerichtete Veranstaltungen auf die Beine.

Jetzt kommen die Kinder: Lambertseter Skole

Jetzt kommen die Kinder: Lambertseter Skole

Höhepunkt sind aber die fast überall im Land stattfindenden sogenannten Kinderumzüge (barnetoget). In Oslo sieht das folgendermaßen aus: Die Kinder der einzelnen Schulen sammeln sich auf zentralen Plätzen in der Innenstadt, um sich dort zu Zügen zu formieren. Fast alle Schulen haben ein Schulorchester oder Spielmannszug. Von dort aus geht es durch die Karl Johans gate zum königlichen Schloss, wo die Königsfamilie auf einem Balkon stehend den vorbeiziehenden Kindern zuwinkt.

Während die Kinder durch die Karl Johans gate ziehen, steht am Straßenrand der Rest der Bevölkerung und jubelt (vorzugsweise dem eigenen Kind zu).

... und es nimmt kein Ende

... und es nimmt kein Ende

Was uns am meisten überraschte (und was wir bis zum Schluss nicht glauben konnten) ist die Bekleidung an diesem Tag. Wir hatten uns im Vorfeld schon ein bisschen erkundigt, wie der Tag so verläuft, wo man sich am besten hinstellt usw. Dabei kam heraus, dass man sich auf jeden Fall gut anzieht. Die Norwegerinnen tragen zu diesem Anlass ihre Volkstracht, die bunad. Diese Tradition geht durch alle Altersgruppen und Bevölkerungsschichten — unsere Recherchen in unserem Umfeld haben ergeben, dass anscheinend jede norwegische Frau so ein Teil im Schrank hängen hat. Oft passt es aber nicht mehr, da Norwegerinnen ihre bunad häufig zur Konfirmation geschenkt bekommen. Da diese Trachtenkleider nicht ganz billig sind (selbst genäht kommt man auf einen Preis von rund 800 Euro), werden am 17. Mai Trachten im Wert von ca. 30 Milliarden Kronen durch die Gegend getragen ...

Die königliche Familie auf dem Schlossbalkon, v.l.n.r.: Kronprinzessin Mette-Marit, Kronprinz Haakon, Königin Sonja (mit weißem Handschuh, huldvoll winkend), König Harald

Die königliche Familie auf dem Schlossbalkon, v.l.n.r.: Kronprinzessin Mette-Marit, Kronprinz Haakon, Königin Sonja (mit weißem Handschuh, huldvoll winkend), König Harald V.

Wer keine bunad trägt, zieht sich wenigstens festlich an. Damit wir nicht unangenehm auffallen, haben auch wir uns ein wenig „feierlich” angezogen. Ein Muss ist eigentlich auch, sich irgendetwas in Norwegens Nationalfarben, also rot-weiß-blau, an die Kleidung zu heften. In diesem Jahr haben wir noch einmal darauf verzichtet.

Karl Johans gate in rot-weiß-blau

Karl Johans gate in rot-weiß-blau

Nun, nachdem sich gegen 9.00 Uhr morgens der „Østensjø Skoles Musikkorps” am Nordre Skøyen Hovedgård getroffen hat und anschließend durch unsere Straße zur T-Bane-Station zog, machten wir uns auch langsam auf den Weg in die Innenstadt. Als wir an unserer T-Bane-Station ankamen, waren gerade vorher zwei T-Bane-Züge abgefahren, so dass wir uns auf eine längere Wartezeit einstellten. Doch nach recht kurzer Zeit kam bereits ein weiterer Zug, zwar mit der Aufschrift „Ikke i trafikk” (nicht in Verkehr), aber wir konnten trotzdem zusteigen. Dieser Zug war offensichtlich nur dafür gedacht, wartende Fahrgäste aufzusammeln und in die Innenstadt zu befördern, denn an den Haltestellen, an denen niemand wartete, wurde nicht gehalten — aussteigen konnte man dort also auch nicht. Die T-Bane- und Straßenbahnwaggons waren natürlich mit norwegischen Flaggen ausstaffiert — das erinnerte mich an frühere Zeiten, als in Bremen zur Freimarktszeit die Straßenbahnen und Busse ebenfalls geflaggt waren.

Menschenauflauf im Schlosspark

Menschenauflauf im Schlosspark

Unser T-Bane-Zug fuhr folgerichtig auch nur bis zur Station Stortinget im Zentrum. In der Stadt sah man überall Norwegerinnen in Tracht, die Männer meistens mit Anzug, seltener ebenfalls in Tracht. Die Karl Johans gate war von Fahnenmasten gesäumt, auf allen Gebäuden wehten ebenfalls norwegische Flaggen. Wir machten uns auf den Weg Richtung Schloss und fanden dort einen guten Platz am Rande der Karl Johans gate. Parallel zur Fahrbahn waren Absperrgitter aufgestellt. Gegen halb elf war es dann soweit — der Kinderzug wurde vom Musikkorps der Königlichen Garde angeführt, gefolgt von einer Polizeikombo. Danach kamen tausende Schüler aller Altersstufen, norwegische Fahnen und Fähnchen schwenkend und hipp, hipp, hurra rufend.

Nach ca. eineinhalb Stunden verließen wir das Geschehen — zu diesem Zeitpunkt hatten etwas mehr als die Hälfte der teilnehmenden Schulen unseren Standplatz passiert.

Der Umzug löste sich dann auf dem Rathausplatz wieder auf, und wir hatten eigentlich damit gerechnet, dass es dort Bierzelte und Pølserbuden ... Nein, nicht in Norwegen — in Deutschland wäre es wohl so gewesen.

Beflaggung am Hochhausbalkon

Beflaggung am Hochhausbalkon